#ichnehmdirdeincashweg | Unterwegs mit Loredana

Erschienen in DAS MAGAZIN,  14. September 2019.

Loredana ist die erfolgreichste Rapperin der Schweiz, aber man kennt sie nur als mutmassliche Betrügerin.

Eine alte Scheune am Dorfrand von Gutenswil, Zürcher Oberland. Kühe und Kirschbäume, sanierte Riegelhäuser, Hofläden. Rentnerinnen, die aus dem Fenster grüssen, Rennvelofahrer in der Abendsonne. Der letzte Ort, an dem man Loredana vermuten würde, wenn man sie aus dem Internet kennt – und das tun die meisten.


Erst war Loredana das Instagram-Wunder, überschminkte Lippen, platinblonde Haare, eine junge Frau, die Hits nachsingt; dann war sie die Trickbetrügerin, kriminelles Mitglied eines Albaner-Clans. Angeblich. Es gilt die Unschuldsvermutung.


Interviews hat die 24-jährige Luzererin bisher nicht gegeben. Zuletzt trat sie im Mai vor die Öffentlichkeit, an einer Pressekonferenz in Pristina. Das Video dazu gibts auf Youtube: Ganz in Weiss sieht man sie da, XXL-Shades im Gesicht, getreu ihrem Megahit «Sonnenbrille», in dem es heisst: «Die Sonnenbrille schützt meine Identität.» Der Vorwurf, den sie bei dieser Pressekonferenz entkräften wollte: Sie habe eine Frau im Wallis bedroht und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um mehrere Hunderttausend Franken betrogen. Flankiert wurde Loredana von zwei Anwälten und Ehemann Gramoz Aliu, Rappername Mozzik, die meiste Zeit sprach sie Albanisch. Nach einer knappen Stunde war die Show vorbei und noch immer alles unklar.


Anfangs interessierten die Medien sich nicht für sie, und als sich dann alle für sie interessierten, war Loredana die Lust auf Interviews vergangen.
Ein weisser Mercedes-Geländewagen hält vor der Scheune. Loredana, babyblaue Teddyjacke, ausgefranste Jeansshorts, schwarze Doc Martens, steigt vom Beifahrersitz.


«Hi», sagt sie – ihre tiefe Stimme kennt man von Instagram-Videos – und lächelt, so sieht man sie selten. Erst kürzlich musste sie ihren Fahrausweis abgeben, wegen Geschwindigkeitsübertretung, aus diesem Grund fährt die Managerin. Es ist Mitte Juni, ein warmer Sommerabend, der letzte Tag ihres Drehs für das Video zu «Jetzt rufst du an».
Letzten Monat Kosovo, diesen Monat Zürcher Oberland. Die Scheune: umgebaut zu einem Studio. Die Zeit: halb sieben abends. Die Managerin: aus Berlin angereist. Ihre Make-up-Artistin und deren Assistentin: aus Pristina eingeflogen. Kosten für die zwei halben Tage, um das Video zu drehen: rund 30 000 Euro, es fehlt nur noch die letzte Szene. Die soll im Wald gedreht werden, vorher will Loredana ihr Outfit wechseln und das Make-up auffrischen.
Ein Jahr zuvor, im Juni 2018, veröffentlichte sie ihren ersten Song, «Sonnenbrille», ein deutscher Rapsong, viel Autotune, stark inspiriert vom bouncenden US-Rap der Nullerjahre. Loredana rappte über ihr «geficktes Leben», ihre Fendi-Sonnenbrille und Hände voller Cash – musikalisches Fastfood, schlichte Lyrics, aber mit gutem Flow, und von Anfang an war offensichtlich: Sie ist ein Showgirl – die Musikvideos trugen zum Erfolg bei. «Sonnenbrille» erreichte Platz 12 der deutschen Singlecharts, wurde zu einem der meistgeklickten deutschsprachigen Rapsongs, und aus ihren 400 000 Instagram-Followern wurden über eine Million. Es folgten «Bonnie & Clyde», «Milliondollar$mile», «Romeo & Juliet» – jeder Song bis heute allein auf Youtube mehr als 20 Millionen Mal gehört.


Im Februar dieses Jahres unterschrieb Loredana einen Deal über mehr als drei Millionen Euro mit dem Musikvertrieb Groove Attack, dem grössten Player auf dem deutschsprachigen Markt. Und man kann sagen, sie war nun die erfolgreichste Schweizer Musikerin. Der Vertrag beinhaltet drei Alben, das erste ist gestern, am 13. September, erschienen. Eine enorme Summe für eine Schweizer Künstlerin, die nur Singles veröffentlicht hatte.
Man könnte denken, dass sie nun Dauergast im Fernsehen wurde, dass Porträts von ihr in sämtlichen Zeitungen erschienen und sie für die Swiss Music Awards nominiert wurde. Aber so kam es nicht, die öffentliche Schweiz ignorierte sie, ihre Plattform blieb Instagram. Eine junge Kosovo-Albanerin, die akzentfrei Hochdeutsch spricht, über Rolis (Rolex-Uhren) und Brillis (Brillanten) rappt und gern den Mittelfinger zeigt – das ist nicht Beatrice Egli, die Schlagerprinzessin, oder Sophie Hunger, die vom Feuilleton hochgelobte Musikerin, oder Lo & Leduc, die perfekten Schwiegersöhne. In den USA hätte man das Märchen ihres sozialen Aufstiegs gefeiert, in Deutschland boomt der migrantisch geprägte Deutschrap, aber in der Schweiz, da fehlte für eine wie sie die Kategorie.

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