Ansichten einer 15-Jährigen

Erschienen in DAS MAGAZIN, 14. April 2018

Olivia Magos aus Zürich erzählt, wie es ist, 15 zu sein

Eigentlich müssten Sie wissen, wie es ist, fünfzehn zu sein, denn Sie waren ja auch mal in dem Alter. Vielleicht haben Sie es aber vergessen, wie die meisten Erwachsenen. Deshalb werde ich Ihnen jetzt den Alltag in der Klassenstufe neun an einer ganz normalen Kanti im Zeitalter des Internets erklären. Also passen Sie gut auf.

Theoretisch stehe ich um halb sieben auf, praktisch um fünf vor. An Tagen, an denen ich besonders motiviert bin, schminke ich mich. Wie eine Kriegerin, die in den Kampf zieht. Zurzeit bin ich meistens ungeschminkt. Das liegt aber nicht daran, dass mir die Energie fehlt, sondern ist ein gutes Zeichen: Ich bin zufrieden. Und je zufriedener ich bin, desto weniger Schminke brauche ich. Verwirrend, ich weiss.

Zum Make-up gehören Wimperntusche, Concealer und ein bisschen Lidschatten. Respekt verdient man sich damit aber nicht. Im Gegenteil. Bewundert werden diejenigen in der Klasse, die sich nicht schminken und trotzdem keine Augenringe haben. Weil: Das heisst, man schläft genug. Und das wiederum heisst, man hat sein Leben im Griff. Und mal ehrlich, wer kann das schon von sich behaupten?

Meine Eltern sagen immer, ich soll morgens nicht so hetzen. Aber ich hab einfach keine Zeit, weil ich zu lange liegen bleibe. Würden sie mir nicht ein Butterbrot und eine Schoggimilch auf den Küchentisch stellen, ich würde gar nichts essen.

Essen ist ein grosses Thema, wenn man fünfzehn ist. Fast alle Mädchen in meinem Freundeskreis haben eine Phase, in der sie fast nichts essen. Deshalb achten wir aufeinander. Wenn eine mittags behauptet, sie habe keinen Hunger, zwingen wir ihr wenigstens ein Sandwich auf. Vermutlich denken Sie jetzt an die Magermodels auf den Laufstegen. Und dass wir denen nacheifern. Aber es geht gar nicht darum, möglichst dünn zu sein. Es geht um das Gefühl, in dem ganzen Schlamassel namens Leben wenigstens etwas unter Kontrolle zu haben – und sei es nur einen Teller Pasta.

Wie gesagt, die Zeit der Magermodels ist vorbei, das Schönheitsideal sind jetzt die Kardashians: lieber ein bisschen mehr auf den Rippen, Kurven. Ich finde das besser. Denn mit Workouts kommt man ziemlich weit. Flacher Bauch, Taille, sexy Po. Und trainieren ist natürlich besser als hungern. Logisch, der Busen wird so nicht grösser. Da hilft nur ein Push-up-BH.

Mit dem Bus hab ich eine Viertelstunde bis in die Schule. Ganz blöd ist, wenn ich zu spät komme. Dann muss ich ein Formular ausfüllen und es den Eltern und dem Lehrer vorlegen, damit sie es unterschreiben. Das ist mühsam, also versucht man, es zu vermeiden. Notfalls mit Rennen.

Meine These: Um das Gymi zu schaffen, muss man gern hingehen. Denn der Druck ist gross. Alle haben Erwartungen, Lehrer, Eltern und man selbst. Ich würde sagen, wir sind alle sehr ehrgeizig. Manche in der Klasse schlafen schlecht. Andere haben Kopfweh. In harten Prüfungszeiten brechen immer wieder Leute in Tränen aus. Ich bin auch eine Zeit lang heimgekommen und habe erst mal geheult.

Aber Schule heisst natürlich nicht nur lernen und Prüfungen schreiben. Mindestens genauso wichtig sind die Pausen und mit wem man sie verbringt.

In letzter Zeit höre ich ständig den Satz: «Die macht mich nach.» Ich hab nie verstanden, warum Nachmachen was Schlechtes sein soll. Aber eine Nachmacherin zu sein, ist etwa so cool, wie von der Mutter gestrickte Pullover zu tragen. Zum Beispiel schneiden jetzt immer mehr Mädchen ihre Haare ab.

Alle registrieren die Reihenfolge. Würde ich mir die Haare abschneiden, wäre es aber nicht so schlimm. Ich bin nämlich nicht blond wie das Mädchen, das die Haare zuerst abgeschnitten hat, sondern braunhaarig.

Thema Mode. Logisch fällt es auf, wenn jemand einen guten Style hat. Es gibt Leute, die sich was trauen, andere sehen das und denken: «Wow!» Leggings sind cool, wobei das eigentlich schon fast wieder vorbei ist, und Reebok- und Adidas-Schuhe. Eigentlich geht es aber weniger um bestimmte Kleidungsstücke als darum, wie man sie kombiniert. Wir sind alle auf Insta, und da entstehen die Trends. Es gibt einen Insta-Style, der sich unter den Followern schnell verbreitet. Irgendwie gehts natürlich auch hier ums Nachmachen. Oder zumindest um Inspiration. Der richtige Look kann teuer oder billig sein, schlicht oder extravagant, gemustert oder uni – Hauptsache, man hat sich was überlegt. Das Problem: Um sich was zu überlegen, braucht man Zeit. Und davon haben wir, wie gesagt, immer zu wenig.

Alle sagen, das Essen in der Mensa sei eine Katastrophe. Ich finde, es geht, Mensaessen halt. Aber weil die anderen es nicht mögen, gehen wir meistens raus. Worauf sich alle einigen können: Fast Food. Das gilt als fein. Natürlich wissen wir, dass Frittiertes ungesund ist, deshalb haben wir die Regel aufgestellt: nur einmal in der Woche Pizza, Burger oder Pommes frites. Sich durchgehend gesund zu ernähren, ist schwierig im Schüleralltag, aber wir tun unser Bestes.

«Wann hast du Mittag?», ist übrigens ein Anmachspruch. Wir nennen das nicht Date, sondern sagen: «Man geht mit jemandem raus.»

An manchen Tagen wünscht man sich sehr dringend einen Freund. Erstens hätte man dann jemanden, der einen versteht und mit dem man viel Zeit verbringen kann. Und zweitens könnte man ihn umarmen und rummachen. An anderen Tagen wiederum ist man völlig zufrieden mit sich allein.

Verliebt ist nicht gleich verliebt, wir unterscheiden drei Stufen. Die erste: Man beobachtet jemanden in der Schule auf dem Gang und denkt, wow, sieht der gut aus. Die zweite Stufe: Man redet mit ihm und stellt fest, er ist megacool. Man beginnt, sich Nachrichten zu schreiben. Die dritte Stufe dann: Man lernt sich richtig kennen und trifft sich ausserhalb der Schule. Erst dann, bei Stufe drei, sprechen wir von «verliebt sein», vorher heisst es «einen Crush auf jemanden haben». Einen Crush hat man alle paar Wochen, verliebt ist man nur sehr selten. Beim Verlieben geht es dann auch um Gegenseitigkeit.

Es gibt ein paar wenige Paare, die schon mehrere Monate zusammen sind. Sie treffen sich regelmässig zu zweit und schreiben sich Nachrichten. Die meisten Beziehungen halten aber nur ein paar Wochen. Grundsätzlich gilt: Der Junge soll älter sein als das Mädchen, aber auch nicht zu alt. Er sollte in den gleichen Schuljahrgang gehen. Bei uns gibt es einige Jungen, die schon siebzehn sind.

Sex ist noch kein Thema bei uns Mädchen. Ich glaube, bei den Jungen ist das anders. Aber darüber reden wir nicht so offen.

Meine beste Freundin nenne ich liebevoll «Amigo», obwohl sie ein Mädchen ist. Und zu meinem männlichen Kollegen sage ich «Madam». Einfach so, finden wir lustig. Als Mädchen hat man meistens mehr Freundinnen als Kollegen. Für eine Freundschaft zwischen einem Mädchen und einem Jungen ist die Voraussetzung: Keiner von beiden darf verliebt sein oder sich je verlieben. Weil: Wenn man einem Jungen vorheult «Ich will einen Freund, ich will einen Freund», kann der das theoretisch als Aufforderung auffassen. Deshalb muss man sicher sein, dass nie etwas laufen wird. Wir Mädchen haben es schliesslich auch nicht gern, wenn ein Junge uns stundenlang von einem Mädchen vorschwärmt.

Wenn man jemandem einen Korb gibt, erwartet man, dass der andere das versteht. Was natürlich keinen Sinn macht: Wenn man selbst einen Korb kriegt, ist man traurig oder wütend. Und die Freundinnen haben den Jungen dann aus Solidarität auch nicht mehr gern.

Kompliziert wird es, wenn man jemanden ausserhalb der Schule kennen gelernt hat, zum Beispiel in den Ferien. Dann war niemand aus der Klasse dabei, und, zurück in der Schule, steht man vor der schwierigen Frage, wie man das jetzt den Freundinnen erklären soll. Es kann passieren, dass einem dann alles zu viel wird und man die Sache lieber beendet.

In der Schule ist es so: Der Grossteil der Klasse macht sehr selten im Unterricht mit. Etwa fünf Schüler machen manchmal mit und etwa drei regelmässig. Zu denen gehöre ich. Teilweise wird «Schleimer» gesagt, wenn man sich direkt an die Lehrperson richtet, aber eher selten, und das ist dann auch nicht wirklich ernst gemeint. Wenn man mitmacht, ist der Vorteil, dass man zu Hause weniger machen muss.

Nach der Schule ist die S6 immer voller Schüler. Durch diejenigen, die man schon kennt, lernt man Leute aus anderen Klassen kennen, es entstehen neue Freundschaften. Nummern werden ausgetauscht, Gossip weitergereicht. Das ist lustig und aufregend und für uns Fünfzehnjährige wie der Kaffeeklatsch für Rentner. Wenn man eine Idee gut findet, sagt man: «Fix!» Im Sinn von: «Ja klar, machen wir.»

Den Hit «Gucci Gang» von Lil Pump, den kennen alle Fünfzehnjährigen. Der Refrain geht: «Gucci Gang, Gucci Gang, Gucci Gang». Wenn man jemanden von etwas überzeugen will, sagt man deshalb: «Ja komm, für die Gang.» Was so viel heisst wie: «Gibs zu, du bist doch gleicher Meinung!»

Einmal in der Woche trainiere ich nach dem Unterricht im Kraftraum. Nachher blinkt eigentlich immer eine Nachricht auf meinem Handy auf: «Hey, bist du eigentlich öfter im Kraftraum?» Oder: «Jetzt habe ich eine Motivation, wieder zu trainieren.» Nicht nur bei mir, auch bei anderen. Der Kraftraum ist definitiv ein Ort zum Flirten. Ob man die Nachricht schmeichelhaft oder nervig findet oder beides, hängt natürlich davon ab, wer schreibt. Wenn es nervt, sollte man es der Person mitteilen. Man kann nicht erwarten, dass sie es von selbst merkt. Diese altmodische Regel von früher, dass der Mann den ersten Schritt machen muss, die gilt bei uns übrigens nicht mehr. Wer Lust hat, schreibt. Ich habe auch schon zuerst geschrieben. Die Nummer besorgt man sich von gemeinsamen Kollegen.

Nach der Schule sollte man theoretisch heimgehen und Ufzgi machen. Aber praktisch verkriechen die meisten sich erst mal ins Bett. Man hat die weichen Kissen nämlich echt vermisst. Die wenigsten von uns schlafen. Stattdessen daddeln wir am Handy rum, schreiben Leuten, scrollen durch den Insta-Feed, schauen Youtube-Videos. Das ist null produktiv, aber sehr bequem, und so vergehen schnell zwei Stunden. Manchmal ärgere ich mich dann über mich selbst, weil ich die Hausaufgaben noch nicht gemacht habe. Aber am nächsten Tag lege ich mich trotzdem wieder ins Bett. Weil ich weiss, dass die anderen es genauso machen, ist es irgendwie okay.

Sehr beliebt ist Snapchat. Das ist eine App für das Verschicken von Fotos, aber mit dem Vorteil: Snaps sind vergänglich. Man kann schnell etwas in Bildform mitteilen. Zum Beispiel ein lustiges Video mit Kollegen. Ein Selfie mit einer Grimasse als Antwort. Wenn der andere es gesehen hat, löscht sich das Foto automatisch. Das ist nicht nur gut, wenn man was Peinliches geschickt hat, sondern vor allem um Speicherplatz auf dem Handy zu sparen.

Wenn wir etwas cool finden, sagen wir «lit». Echt lit sind Fandoms. Ein Fandom ist eine Gruppe, die Fan ist von einem Buch, einer Serie oder einer Band. Zum Beispiel gibt es ein riesiges Harry-Potter-Fandom. Ein Percy-Jackson-Fandom. Ein Doctor-Who-Fandom. Ein Supernatural-Fandom. Nur weil man «Harry Potter» liest, gehört man aber nicht automatisch zum Harry-Potter-Fandom. Man muss mehr als das Buch kennen. Im Internet gibt es unendlich viele Ideen, die Leute sich rund um Harry Potter überlegt haben. Fanfictions, zum Beispiel: Sie basieren auf den Büchern, aber es sind neue, eigene Geschichten. Was mir sehr gefällt, ist die Serie «Teen Wolf». Deshalb besitze ich einen weinroten Pulli mit Lacrosse-Zeichen auf der Brust und der Nummer 9 auf dem Rücken, wie das Oberteil von Liam Dunbar in der Serie.

Viele Erwachsene denken ja, das Internet mache dumm. Aus unserer Sicht ist das totaler Quatsch. Wer sich für Fandoms interessiert, verbringt viel Zeit online, weil die Fandoms auf Tumblr präsent sind. Tumblr ist ein soziales Netzwerk, ähnlich wie Twitter. Einerseits ein Ort für schöne Bilder und Sprüche, aber eben auch ein Ort, um mit fremden Menschen über die Medienzensur in Russland oder die Folgen des Klimawandels zu diskutieren. Man kann deshalb sagen, Leute, die sich für Fandoms interessieren, sind oft politisch aktiver als andere.

Wenn ich Konflikte mit meinen Eltern habe, dann meistens wegen dem Handy. Sie nehmen es mir weg, wenn sie finden, dass ich Wichtigeres zu erledigen habe. Überhaupt finden sie, dass ich zu viel am Handy bin. Ganz falsch liegen sie damit nicht. Ich muss zugeben, von der Zeit, die ich am Handy verbringe, sind sicher 60 Prozent unnötig. 15 bis 20 Prozent sind Kontakt mit Kollegen und 20 Prozent inspirierende Informationen.

Sehr generationenabhängig ist auch Humor. Was die meisten Erwachsenen nicht verstehen: Memes – Bilder mit kurzen Texten drauf, die im Internet kursieren. Es können auch Videos sein, die heissen dann Vines. Ich habe gemerkt, es macht keinen Sinn, sie meinen Eltern zu zeigen. Ich muss ihnen jedes Mal die Pointe erklären. Mein Vater fragt stattdessen gern, ob ich ihm einen Witz erzählen kann. Das kann ich natürlich, aber es ist einfach nicht lustig.

Es gibt auch ein paar Leute, die in ihrer Freizeit klassische Literatur lesen. Aber das sind eher die – ich will das Wort Streber nicht brauchen –, es sind diejenigen, die sich hauptsächlich für Schule interessieren.

Andere treffen sich an einem Dienstagnachmittag zum Alkoholtrinken. Immer die gleichen – oft jene mit den sehr guten Noten. Sie sind die Einzigen, die es sich leisten können. Manche von ihnen kiffen sogar in der Pause und schreiben nachher trotzdem eine gute Note. Keine Ahnung, wie das funktioniert.

Irgendwann schäle ich mich aus der kuscheligen Decke und stehe wieder auf. Ich kann ja nicht ewig im Bett bleiben, und um sieben gibt es bei uns Abendessen. Manchmal fange ich vorher mit den Hausaufgaben an, meistens aber erst danach. Wir haben Leute in der Klasse, die schon zwei Wochen vor der Biologieprüfung Kärtchen anfertigen, um die Membranschichten einer Pflanzenzelle auswendig zu lernen. Ich fange immer erst zwei Tage vorher an und habe deshalb auch schon bis nachts um eins gelernt. Ich weiss allerdings nicht, wie intelligent das ist, weil mir dann am nächsten Tag fast die Augen zufallen.

Eine Prüfung zu versauen, ist nicht wirklich ein Problem. Ausser es ist ein Fach, wo man sehr wenige Prüfungen hat. Wenn man dann einen Zweier schreibt, ist es schwierig, wieder aufzuholen. Ein echtes Problem ist, wenn man ein Fach hat, in dem man einfach nix kapiert. Dann läuft man Gefahr, den Anschluss zu verlieren.

Was ich mir wirklich wünschen würde: mal Freizeit haben. Ich glaube, in Schweden haben die Schüler keine Hausaufgaben, und sie schneiden im Leistungsvergleich genauso gut ab wie wir. Ich verstehe das Prinzip von Hausaufgaben, aber manchmal ist es einfach zu viel.

Wenn dann am Freitag endlich das Wochenende beginnt, muss man sich erst mal erholen. Samstags stehe ich nicht vor elf auf. Oft bin ich schon wach, bleibe aber liegen. Dann mache ich mich parat für die Pfadi, da gehe ich jeden Samstag hin. Pfadi ist ein bisschen wie eine zweite Familie. Zwei Wochen in Zelten, unter freiem Himmel duschen und Schlangenbrot über dem Feuer braten, da lernt man sich recht gut kennen. Das tönt jetzt harmonisch, aber wie in jeder Familie gibt es auch Rivalitäten und Streit. Lange ging es darum, wer was darf und wie beliebt man bei den Leitern ist. Seit wir vor ein paar Monaten selber Leiter geworden sind, ist es aber harmonischer geworden.

Langsam steigen in unserem Jahrgang die ersten Homepartys. Meistens werden diejenigen eingeladen, von denen man weiss, dass sie schon Alkohol trinken. Und natürlich diejenigen, die mit dem Gastgeber befreundet sind. Aber auch wer nicht eingeladen ist, erfährt nachher alles. Jede Hausparty ist nachher das Thema für mindestens eine Woche.

Die erste Hausparty vor ein paar Monaten ist ziemlich ausgeartet. Ein Mädchen musste mit zwei Promille im Blut und einer Unterkühlung ins Spital. Als ich das gehört habe, war ich ziemlich schockiert. Ich meine: Ins Spital kommt man ja nicht einfach so. Anscheinend sind auch Vasen kaputtgegangen und Sofas ruiniert worden. Aber als die Eltern heimkamen, war das Haus wieder aufgeräumt. Ich hab extra nachgefragt. Keine Ahnung, wie sie das hingekriegt haben.

Inzwischen war ich auch selbst an Partys. Nachher redet man nur mit denjenigen über den Abend, die auch da waren. Es ist wie bei einem guten Lied: Man kann nur drüber diskutieren, wenn alle es gehört haben. Oder wie bei meinem zweiten Hobby: Hip-Hop tanzen. Ich würde nicht mit jemandem darüber reden, der die Kultur nicht kennt. Bei unseren Partys läuft laute Musik, es wird Alkohol getrunken, und Einzelne machen miteinander rum. Manche haben Eltern, denen egal ist, wann sie heimkommen, und alle anderen «übernachten» bei ihren Freunden. Es ist schon cool, dabei gewesen zu sein. Aber ich muss sagen, mir persönlich fehlt ein bisschen der Spassaspekt. Dass man etwa gemeinsam ein Spiel spielt. Irgendwie kommt selten diese verbindende, heitere Stimmung auf, die man von Partys aus Filmen kennt.

Was ich beobachte: Wenn es Buben sind, die an einem Abend mit mehreren knutschen, ist es weniger ein Thema, als wenn es Mädchen sind. Das ist ja in der Öffentlichkeit genauso: Der Hollywood-Superheld hat immer mehrere Frauen. Aber wenn eine Frau mit mehreren Männern schläft, gilt sie sofort als Nutte. Es ist nicht gerecht, dass Männer sich diesbezüglich mehr erlauben können.

Was ich auch nicht verstehe: Wenn ein bisschen was läuft zwischen einem Jungen und einem Mädchen und es nachher auseinandergeht, haben viele Jungen so ein Ding, dass sie das Mädchen plötzlich völlig ignorieren. Keine Ahnung, was dahintersteckt. Ich finde das ziemlich schwach. Warum können sie am nächsten Tag nicht einmal mehr hoi sagen?

Sonntags verbringe ich dann meistens Zeit mit meinen Eltern. Wir gehen im Naturschutzgebiet spazieren oder gehen in die Stadt. Manchmal mache ich auch mit Freundinnen ab, aber eher selten. Und wie gesagt, ich verbringe viel Zeit im Bett, ich muss ja meine kurzen Schulnächte nachholen.

Wenn ich mir meine Eltern so anschaue, muss ich sagen: Ich bin um einiges mehr Mainstream als sie. Meine Eltern haben damals auf dem Standesamt geheiratet und dann im kleinen Kreis mit Freunden gefeiert. Ich hingegen habe meine Hochzeit schon jetzt bis ins letzte Detail geplant, in Weiss, mit Blumendeko und Jawort geben. Wenn ich Musik höre, dann nicht nur eine bestimmte Richtung, sondern eigentlich alles: Jazz, Swing, Old School Hip-Hop, House, Indie, aber auch gerne Charts. Mainstream zu sein, ist okay, finde ich. Die meisten von uns sind Mainstream, und diejenigen, die nicht Mainstream sind, sind recht genau einem anderen Stil angepasst. K-Pop, zum Beispiel: Die hören nur koreanischen Pop, lernen sogar Koreanisch und tragen Kleider in Pastellfarben und mit Alien-Prints. Sie sind zwar anders als der Grossteil, aber auch wieder nicht wirklich individuell.

Was mir mehr Sorgen macht als jede Stilfrage: Unsere Generation ist die nächste, die erwachsen wird, und wir übernehmen ein rechtes Chaos. Manchmal staune ich, wenn ich Erwachsene so reden höre. Über Homosexuelle und Frauenrechte zum Beispiel. Was für festgefahrene Meinungen viele haben. Mir scheint, unsere Generation ist da viel offener. Wir lernen schon in der Schule, dass die Natur vieles bereithält, was schützenswert ist. Aber ich sage dann meistens nichts. Wir werden ja eh nicht richtig ernst genommen. Politik zum Beispiel gilt irgendwie als Erwachsenenthema.

Dabei ist die Welt echt nicht in einem goldenen Zustand. Meine Generation wird was ändern müssen, sonst kommen wir nicht sehr weit. Grundsätzlich bin ich aber recht optimistisch: Viele Junge basteln an Erfindungen rum oder machen sich Gedanken, wie man den Planeten retten kann oder Kriege verhindern. Nicht alle natürlich, aber immerhin wird darüber geredet. Es liegt ein recht grosser Druck auf uns – in der Schule, aber auch sonst.

Abends freue ich mich immer sehr auf mein Bett. Nachts träume ich von dem, was ich erledigen muss, von einem Gespräch mit einer Freundin, das ich führen muss, von ungelösten Hausaufgaben, von Hürden in der Zukunft. Irgendwie hilft das. Wenn ich morgens aufwache, bin ich erleichtert. Wenn es im Traum gut gelaufen ist, fühlt es sich schon halb erledigt an. Dann traue ich mir eher zu, es auch im real life zu schaffen. Also bin ich meinen Träumen mega dankbar.